Theodor-Heuss-Medaille


Am 25.4.2009 wurde dem Bürgermeister der Stadt Herten, Uli Paetzel, und der Hertener Bürgerstiftung,

vertreten durch Vorstand Gerd Grammann, die Theodor-Heuss-Medaille verliehen.

Der Medaillentext gibt die Begründung:

 

 

 

In der Stadt Herten, früher die größte Bergbaustadt Europas, gingen durch die vollständige Schließung der Zechen innerhalb weniger Jahre 15.000 Arbeitsplätze verloren. Der damit über die Stadt herein- brechende Strukturwandel hatte zur Folge, dass der bis dahin starke Zusammenhalt vollkommen verloren zu gehen drohte.

In dieser desolaten, von Zukunftsangst geprägten Situation schlossen sich 50 Hertener Bürger

zusammen und gründeten im Jahr 1999 die Hertener Bürgerstiftung, eine der frühen Bürgerstiftungen

in Deutschland. Sie sahen ihre Aufgabe darin, die Stadt nicht sich selbst zu überlassen, sondern

durch Bürger-engagement lebendig zu halten.

 

 

Die entstandenen Leerstellen sollten durch aktive Bürger und größere gesellschaftliche Teilhabe gefüllt, die Stadt sollte den Menschen zurückgegeben werden. Die Hertener Bürgerstiftung will Projekte initiieren und fördern, die „eine Kultur der Arbeit“ schaffen und bürgerschaftliches Engagement, besonders im Bereich der berufliche Qualifizierung und Umorientierung, soziale Betreuung und die Verbesserung der Lebens-, Ausbildungs- und Berufs-perspektiven von Kindern und Jugendlichen organisieren sollen. In den 10 Jahren ihres Bestehens baute die Hertener Bürgerstiftung ein ökologisches Projekt für Schüler (Sommercamp in Herrmannsdorf), ein Qualifizierungs- und Ausbildungsprojekt für Jugendliche (Jugendwerk- und Bauernhof Wessels), sowie eine Reihe generationenübergreifender und auf die Integration von Familien mit Migrationshintergrund zugeschnittener Projekte auf.

 

Als im Jahr 2004 der damals 33-jährige Uli Paetzel zum Bürgermeister gewählt wurde, hatte er bereits im Wahlkampf für sich beschlossen, in seinem Amt auch in ganz persönlicher Weise zu versuchen, alle Hertener Bürger auf dem Weg in eine neu zu gestaltende Zukunft mitzunehmen. Sehr bald wurde dieser Vorsatz für alle sichtbar. Insbesondere auch durch seine persönliche Art gelang es ihm, ein offenes und positives Klima zu fördern. Es wurde wieder mehr (auch übereinander) gelacht. Wohl aus diesem Grunde gibt es in Herten eine erstaunlich  große Zahl von ambitionierten Kabaretts. Heute nennt sich Herten Kabarettstadt. In der finanziellen Krisensituation der Kommune erkannte und ergriff Uli Paetzel die Chance, mehr auf Kooperation mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften zu setzen und eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung zu schaffen.

 

Anstelle des Integrations- gedankens, der ihm zu eng gefasst war, setzte er den Begriff der Teilhabe, die sich nicht einseitig auf Bürger mit Migrationshintergrund, sondern auf alle Mitglieder der Gesellschaft, vom Kleinkind bis zum Greis, von Alteingesessenen bis zum neu Zugewanderten, vom erfolgreichen Geschäftsmann bis zum Hartz IV-Empfänger bezieht. Dabei wurde er von dem Bild Theodor W. Adornos von der partizipativen Gesellschaft geleitet, in der man „ohne Angst verschieden“ sein und mitwirken kann. Erste Voraussetzung dafür war, die Arbeit in die Stadt zurück zu holen. Dies geschah durch die Entwicklung neuer Konzepte für die Industrie- und Flächenbrachen, durch die Planung, Durchführung und Unterstützung von Programmen und Projekte im Bereich von Bildung und Erziehung, von Ökologie und Nachhaltigkeit, von gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Teilhabe.

 

Hier trafen sich die Kräfte und Potenziale der Hertener Bürgerstiftung mit den Kompetenzen und Unterstützungsmöglichkeiten des Bürgermeisters. Bereits der ehemalige langjährige Bürgermeister Willi Wessel und der damals amtierende Bürgermeister Klaus Bechtel hatten im Jahr 2000 den Erwerb eines nicht mehr bewirtschafteten Bauernhofs und seinen Ausbau zu einem inzwischen sehr erfolgreichen Qualifizierungs- und Ausbildungsprojekts für Jugendliche unterstützt und begleitet. Unter Uli Paetzel suchte die Stadt im Jahr 2005 die Hertener Bürgerstiftung als Träger von zwei Projekten im Rahmen des Integrierten Handlungskonzepts Herten-Süd aus: „Quartierbüro Herten-Süd“ und „Ein Quadratkilometer Bildung“.

 

Auf der Basis eines Kooperationsvertrags mit der Stadt Herten und in Zusammenarbeit mit der Freudenberg Stiftung und der Vestisch-Märkischen Wohnungsbaugesellschaft wird an der baulichen Erneuerung eines Stadtteils Projektarbeit zur Verbesserung der Lebensqualität im Stadtteil und des sozialen Klimas zwischen den unterschiedlichen im Stadtteil lebenden Herkunftskulturen gearbeitet. Die Themen sind: Quartiermanagement, zivilgesellschaftliches Engagement, Selbstorganisation, Vernetzung und die Integration von Migrantenfamilien im Stadtteil. Im Rahmen des „Quartierbüros Herten-Süd“ wollen die Projektbausteine „Gute Nachbarschaft im Quartier“ und „Viele Kulturen – ein Leben“ die Wohnqualität in der Elisabeth / Sophienstrasse verbessern, die Vielfalt der vielen im Stadtteil lebenden Herkunftskulturen und Glaubensrichtungen sichtbar machen und den Austausch untereinander sowie die gemeinsame Gestaltung von Zukunft fördern.

 

Antoinette Cherbuliez